Quellen
Archiv des Bezirks Oberbayern München, Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar, Patientenakten Nr. 999.
Eintritt frei
Physikstudent, Opfer der Zwangssterilisation und der NS-“Euthanasie“
Josef G. (Pseudonym) wurde 1912 in eine Bäckersfamilie in Franken geboren. Er hatte zwei Brüder und zwei Schwestern, die Mutter starb 1912 im Wochenbett. Der begabte junge Mann besuchte die Oberrealschule, wo er zu den Besten gehörte. Ein Physikstudium an der Ludwig-Maximilians-Universität München schloss sich an. In seinem achten Semester verursachte Josef G. 1935 während einer Antrittsvorlesung eines Professors eine Störung, als er diesen beiseite schob und seine Ausführungen als falsch deklarierte. Daraufhin brachten ihn zwei Mitstudenten in die Psychiatrische Nervenklinik in der Nußbaumstraße. Bei der Aufnahme gab er an, dass er zu viel arbeite und seine Nerven überreizt seien. Josef G. wurde am 30.8.1937 in die Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar verlegt. In der Klinik schrieb er viele Briefe und bat immer wieder um Entlassung: „Herr Oberarzt, bitte erfüllen Sie einem Menschen den Wunsch, bald seine Heimat wiedersehen zu dürfen, ermöglichen Sie meine Bitte draußen in Landarbeit körperlich ertüchtigen zu dürfen (Landhilfe! Arbeitslager!)“ (BAObb, EH, Patientenakten Nr. 999). Für seine talentierten Zeichnungen hatten die Ärzte wenig Verständnis: „Bild des Patienten dem Krankenblatt beigelegt. Schmückt sich oft in dieser grotesken Weise“
Für acht Monate wurde er in die Anstalt Ansbach verlegt, die näher an seinem Heimatort lag. Da seine Eltern den Aufenthalt nicht mehr finanzieren konnten, verlegte man ihn wieder nach Eglfing-Haar. Am 27.9.1937 wurde er zwangssterilisiert. Aus den letzten drei Jahren gibt es nur spärliche Einträge in der Krankengeschichte. Josef G. wurde am 27.2.1943 in das „Hungerhaus“ für Männer verlegt, wo er im Juni 1943 an den Folgen der Hungerkost starb. Zuletzt wog der 1,70 m große junge Mann nur noch 43 kg.
Archiv des Bezirks Oberbayern München, Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar, Patientenakten Nr. 999.