Wilhelm Grau (4.8.1910 Straubing – 9.10.2000 Alzey)

Biografien
Verfasst von Elisabeth Kraus

Historiker, Leiter antisemitischer NS-Institute zur „Judenforschung“

2. Jahrestagung der "Forschungsabteilung Judenfrage" im Großen Senatssaal der Universität am 12.5.1937. Am Pult: Wilhelm Grau | StadtAM, FS-NS-00256

Der Sohn eines Postbeamten war Mitglied des katholischen Jugendbundes „Neudeutschland“. Ab 1930 studierte er Geschichtswissenschaft in Frankfurt am Main und München, wo er 1934 bei dem renommierten und NS-nahen Historiker Karl Alexander von Müller mit einer Arbeit über „Antisemitismus im Mittelalter“ promoviert wurde. Im Juni 1937, wenige Wochen, nachdem er in die NSDAP eingetreten war, hat er sich mit einer Schrift über „Wilhelm von Humboldt und das Problem der Juden“ an der Philosophischen Fakultät der Universität München habilitiert. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits Geschäftsführer der 1936 in München gegründeten „Forschungsabteilung Judenfrage“ des „Reichsinstituts für die Geschichte des neuen Deutschlands“.

In seinen Studien versuchte Grau, die universale Gültigkeit der NS-Judengesetzgebung durch historische Bezüge auf frühere Verfolgungen zu legitimieren. Zudem war er Lieferant jüdischer Personenstandsakten an das Reichssippenamt, Verwalter einer „Mischlingskartei“ und Denunziant zahlreicher in den Augen der Nationalsozialisten „jüdisch versippter“ Personen im Auswärtigen Amt.

Nach Auseinandersetzungen mit dessen Präsidenten, Walter Frank, verließ Grau die Forschungsabteilung. Ab Januar 1940 in der Dienststelle von Franks Gegenspieler Rosenberg tätig, organisierte er nach dem Juni 1940 u.a. den Raub jüdischer Bibliotheken im besetzten Paris. Ab Juli 1940 war Grau Leiter des „Instituts zur Erforschung der Judenfrage“ in Frankfurt am Main, einer Außenstelle von Alfred Rosenbergs „Hoher Schule“. Von Oktober 1942 bis Kriegsende diente er bei der Luftwaffe.

Nach Kriegsgefangenschaft und Entnazifizierung war Grau Eigentümer und Leiter einer Verlagsdruckerei in Alzey.

Quellen

Grüttner, Michael: Biographisches Lexikon zur nationalsozialistischen Wissenschaftspolitik, Heidelberg 2004.
Papen-Bodek, Patricia von: Vom engagierten Katholiken zum Rassenantisemiten. Die Karriere des Historikers der „Judenfrage“ Wilhelm Grau 1935-1945, in: Denzler, Georg/Siegele-Wenschkewitz, Leonore: Theologische Wissenschaft im „Dritten Reich“, Frankfurt am Main 2000, S. 68-113.

Empfohlene Zitierweise

Elisabeth Kraus: Grau, Wilhelm (publiziert am 05.01.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/lexikon/artikel/grau-wilhelm-285