Paul von Hindenburg (2.10.1847 Posen/Polen – 2.8.1934 Gut Neudeck/Polen)

Biografien
Verfasst von Peter Longerich

Generalfeldmarschall im Ersten Weltkrieg, Reichspräsident in der Weimarer Republik und in den Anfangsjahren der NS-Diktatur

Paul von Hindenburg (1847-1934), Aufnahme undatiert | Bayerische Staatsbibliothek München/Fotoarchiv Heinrich Hoffmann, hoff-1735

Der Sohn des preußischen Offiziers und Gutsbesitzers Hans Robert Ludwig von Beneckendorff und von Hindenburg schlug ebenfalls die militärische Laufbahn ein. Als Leutnant nahm er an der Schlacht von Königgrätz 1866 sowie am deutsch-französischen Krieg 1870/71 teil. 1879 heiratete er Gertrud von Sperling; aus dieser Ehe gingen drei Kinder hervor. In den folgenden vier Friedensjahrzehnten absolvierte er eine außergewöhnlich erfolgreiche militärische Karriere, bis er 1911 als Kommandierender General eines Armeekorps verabschiedet wurde.

Zu Beginn des Ersten Weltkrieges wurde Hindenburg reaktiviert und übernahm den Befehl über die 8. Armee. Zusammen mit seinem Stabschef, Generalmajor Erich Ludendorff, gelang es ihm, die nach Ostpreußen vorgedrungenen russischen Streitkräfte vernichtend zu schlagen. Dieser Erfolg brachte ihm nicht nur die Ernennung zum Generalfeldmarschall ein, sondern legte auch den Grundstein für den Mythos des „Siegers von Tannenberg“: Hindenburg galt nun in weiten Kreisen der Bevölkerung als Nationalheld. Im August 1916 übernahm er, wiederum mit Ludendorff als wichtigstem Mitarbeiter, die Oberste Heeresleitung (OHL), die in der zweiten Kriegshälfte nicht nur das militärische, sondern auch das politische Machtzentrum des Reiches bildete.

Nach der Niederlage 1918 drängte Hindenburg Kaiser Wilhelm II., abzudanken und zu emigrieren. Durch Zusammenarbeit mit der Regierung der Volksbeauftragten in Berlin sicherte er die Überführung des Feldheeres in die Heimat und damit wesentlich die Machtbasis der neuen Regierung. Im Juli 1919 nahm er seinen Abschied. In den ersten Nachkriegsjahren machte es sich Hindenburg zur Hauptaufgabe, seinen Nimbus als „Feldherr“ weiter auszubauen. Er trat mit seiner ganzen Autorität für die Dolchstoßlegende ein, wonach das Heer „im Felde unbesiegt“ geblieben und die Linke, die die „Heimatfront“ zerstört habe, verantwortlich für die Niederlage sei.

Beim zweiten Wahlgang zur Reichspräsidentenwahl am 29.3.1925 wurde Hindenburg als Kandidat der Rechtsparteien im Alter von 77 Jahren zum Reichspräsidenten gewählt. In den ersten Jahren seiner Präsidentschaft regierte Hindenburg verfassungskonform und unterstützte namentlich die Außenpolitik Stresemanns gegen starken konservativen Widerstand. Doch nach dem Ausbruch der Wirtschaftskrise entschloss er sich im Frühjahr 1930, seine präsidentiellen Sonderbefugnisse nach Art. 48 zu nutzen, um die Regierung dauerhaft aus der parlamentarischen Verantwortung herauszulösen und künftig mit „Präsidialkabinetten“ zu regieren. Am 29.3.1930 berief er den Zentrumspolitiker Heinrich Brüning zum Kanzler und löste den Reichstag auf, als dieser im Juni 1930 ein Veto gegen eine präsidiale Notverordnung einlegte. In den anschließenden Reichstagswahlen vom September 1930 steigerte die NSDAP ihren Stimmenanteil von 2,6 auf 18,3%, was dazu führte, dass Brüning für die weitere parlamentarische Tolerierung seines Kabinetts auf die Unterstützung der SPD angewiesen war.

Bei der Reichspräsidentenwahl 1932 wurde Hindenburg für weitere sieben Jahre in seinem Amt bestätigt, allerdings nur, weil die Sozialdemokraten und das Zentrum sich für ihn ausgesprochen hatten. Dieser Umstand veranlasste Hindenburg maßgeblich, einen Rechtsruck in der Innenpolitik vorzunehmen. Er brach mit Brüning und versuchte mit rechtskonservativen Kabinetten, zunächst mit Franz von Papen, dann mit Kurt von Schleicher, zu regieren. Es gelang jedoch nicht, die NSDAP für eine parlamentarische Tolerierung zu gewinnen; sie nutzte stattdessen ihre Wahlerfolge vom Juli und November 1932 (37,4% bzw. 33,1%), um eine Obstruktionspolitik zu betreiben. Hindenburg aber schreckte vor einer verfassungswidrigen Auflösung des Parlaments ohne Ausschreibung von Neuwahlen zurück. Schließlich ließ sich der Präsident nach langem Zögern am 30.1.1933 auf eine Kanzlerschaft Hitlers ein, den er glaubte, durch rechtskonservative Minister „einrahmen“ zu können.

Mit einer Reihe von präsidentiellen Verordnungen ermöglichte Hindenburg es Hitler, erste Schritte auf dem Weg zu einer Diktatur einzuleiten. Bei der feierlichen Eröffnung des neu gewählten Reichstages in Potsdam am 21.3.1933 schien sich Hitler durch sein devotes Auftreten der Autorität des greisen Feldherrn unterzuordnen. Hindenburg gab sich dem Glauben hin, Hitler sei der Vollender eines von ihm eingeleiteten nationalen Einigungswerkes, und verzichtete künftig auf die Ausübung seiner verfassungsmäßigen Machtposition. Durch das am 23.3.1933 verabschiedete Ermächtigungsgesetz konnte die Regierung ohnehin selbst Gesetze erlassen und war somit nicht mehr auf das Notverordnungsrecht des Reichspräsidenten angewiesen. Mit Hindenburgs Tod im August 1934 trat ein am Vortag verabschiedetes Gesetz in Kraft, wonach die Ämter des Reichskanzlers und Reichspräsidenten in den Händen Hitlers zusammengelegt wurden.

Quellen

Pyta, Wolfram: Hindenburg. Herrschaft zwischen Hohenzollern und Hitler, München 2007.

Empfohlene Zitierweise

Peter Longerich: Hindenburg, Paul von (publiziert am 08.01.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/lexikon/artikel/hindenburg-paul-von-344