Quellen
Archiv des Bezirks Oberbayern, Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar, Patientenakten Nr. 1431.
Eintritt frei
Opfer der Zwangsfürsorge, wurde zwangssterilisiert
Otto I. (Pseudonym) lebte seit seiner Geburt in München. Aus sehr einfachen Verhältnissen kommend, hatte er keine höhere Schulausbildung. Nach einem schweren Unfall mit 16 Jahren gelang es ihm nicht mehr, eine feste Stelle zu finden. Er schlug sich mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten durch. Auch aufgrund seiner früh einsetzenden Alkoholsucht war er immer wieder auch auf öffentliche Fürsorge angewiesen. Einige Male wurde er auch wegen gescheiterter Selbstmordversuche in die Psychiatrie eingewiesen. Seine Ehe scheiterte an seiner Krankheit.
Die letzte Einweisung in die Psychiatrie erfolgte im Dezember 1935 durch die Polizeidirektion München. Nach einem kurzen Aufenthalt in der Psychiatrischen Universitätsklinik wurde er nach Eglfing-Haar überstellt. Dort empfahl die Anstaltsleitung dem für Aufenthalt und Kosten zuständigen Landesfürsorgeverband, Otto I. könne „nach Taufkirchen [Pflegeanstalt, d.V.] oder nach Dachau gebracht werden“ (BAObb, EH, Patientenakten Nr. 1431). Vor seiner Entlassung wurde er am 24.7.1936 noch zwangssterilisiert. In diesen Monaten in Eglfing-Haar lernte Otto I. die Patientin Inge S. kennen, in die er sich verliebte. Bei gemeinsamen Kirchgängen und in der Gärtnerei steckten sie sich heimlich Liebesbriefe zu. In einem seiner letzten Briefe an sie schrieb er im August 1938: „Ja, Inge, von Herzen hab ich dich lieb, fürchte nur, daß noch mal was dazwischen kommt. Aber wir bleiben fest, nichts kann uns trennen. […] Heute bin ich voller Freude weil ich dich solange sehen konnte. Es wird Zeit daß wir zusammen kommen. Es grüßt und küßt dich dein“ O. (ebd.).
Inge S. hat diesen Brief nie erhalten, er wurde von der Leitung abgefangen. Kurze Zeit später, am 20.8.1936, wurde Otto I. ins KZ Dachau überstellt. Dort starb er fünf Jahre später.
Archiv des Bezirks Oberbayern, Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar, Patientenakten Nr. 1431.