Vigilantismus – Feindschaft mit dem Staat
Rechtsterrorist*innen lehnen eine pluralistische Gesellschaft ab. Ihr Terror zielt darauf, den demokratischen Staat, der dieses Gesellschaftsmodell garantiert, zu schwächen. Sie glauben, dass die Politik die Interessen des eigenen „Volkes“ nicht oder nicht mehr vertritt und greifen deshalb Politiker*innen oder Behörden gezielt an. Während dabei in der jungen Bundesrepublik der Umgang mit den nationalsozialistischen Verbrechen im Vordergrund stand, geht es heute oft um aktuelle politische Auseinandersetzungen. So wurde der Regierungspräsident von Kassel, Walter Lübcke, 2019 von einem polizeibekannten Rechtsextremen getötet, der Lübckes Einsatz für Geflüchtete als Motiv nannte.
Rechtsterrorismus versucht, im öffentlichen Raum ein Gefühl der Unsi-cherheit herzustellen, um die bestehende Ordnung zu destabilisieren und einen Rechtsruck zu bewirken. Der Bombenanschlag auf das Münchner Oktoberfest – das bis heute schwerste Attentat in Deutschland – steht hierfür beispielhaft. Manche Rechtsterrorist*innen wollen mit ihrem Angriff auf Regierung und Bevölkerung einen „Rassenkrieg“ entfachen, um die Vorherrschaft der „Weißen Rasse“ herbeizuführen. Sicherheitsbehörden, Politik und Öffentlichkeit haben Rechtsterrorismus nicht immer erkannt, nur zögerlich reagiert oder die Bedrohung gar verharmlost.
Revanchismus – Wut der Unterlegenen
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs richtete sich rechter Terror gegen die alliierte Militärverwaltung in Deutschland. Die geplanten oder ausgeführten Gewalttaten zielten besonders auf administrative Einrichtungen der Demokratisierung und Entnazifizierung ab. Für ihre Terrorakte wählten die Rechtsterrorist*innen bekannte und symbolträchtige Ziele wie den Alliierten Militärgerichtshof, vor dem der Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess verhandelt wurde, oder das Kriegsverbrechergefängnis in Spandau. Beide standen symbolisch für die Aufarbeitung und Bestrafung der deutschen Kriegsverbrechen.
Auch Angehörige der Besatzungsmächte und US-Kasernen sowie Vertreter*innen des demokratischen Deutschlands, Spruchkammern sowie die Grenzanlagen zwischen Ost- und Westdeutschland wurden angegriffen. Rechtsterrorist*innen versuchten mit ihren Aktionen, einen Aufbruch Westdeutschlands in die demokratische Zukunft zu verhindern.
Rassismus – Gewalt gegen Vielfalt
Rechtsterrorist*innen bedrohen Menschen, die sie als „nicht zugehörig“ zur imaginierten Gemeinschaft ansehen, massiv mit Gewalt. Diese Gewalt basiert auf einer rassistisch-völkischen Weltsicht, nach der das eigene Volk „zu schützen“ sei. Es müsse „rein gehalten“ und von „fremden“ Einflüssen „gesäubert“ werden. Die Angst vor vermeintlicher „Überfremdung“ geht mit einer aggressiven Ablehnung der kulturellen Vielfalt einer Gesellschaft einher.
Rechtsterrorist*innen ermächtigen sich selbst, brutal gegen die vermeintliche „Zersetzung“ eines Volks vorzugehen. Menschen werden aufgrund ihrer Hautfarbe, Herkunft oder Religion ausgegrenzt, verfolgt oder gar getötet. Für sie ist diese menschenverachtende Ideologie eine zentrale Gefahr in allen Lebensbereichen: in der Privatsphäre, bei der Arbeit und im öffentlichen sowie virtuellen Raum.
Als im November 2011 der „Nationalsozialistische Untergrund“ (NSU) aufgedeckt wurde, kam nach und nach das gesamte Ausmaß der Straftaten der rechtsextremen Gruppe um Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos ans Tageslicht. Zwischen 2000 und 2007 ermordete der NSU mindestens zehn Menschen in mehreren deutschen Städten, darunter auch München. Sie suchten sich ihre Opfer aufgrund ihrer Herkunft aus und töteten sie an ihren Arbeitsorten. Dass deutsche Behörden sowie die mediale Öffentlichkeit die Morde lange als organisierte „Milieu-Kriminalität“ abtaten und auch nach dem NSU-Prozess viele Fragen unbeantwortet blieben, offenbart institutionelles Versagen und ist eine bleibende Leerstelle in der Aufarbeitung der größten rechtsextremen Mordserie in der Geschichte der Bundesrepublik.
Auch das Attentat am Münchner Olympia-Einkaufszentrum vom 22. Juli 2016, bei dem neun Menschen starben, wurde von den Ermittlungsbehörden zunächst fälschlicherweise als Amoklauf ohne politisches Motiv eingeschätzt. Nach der Kritik durch unabhängige Gutachter und der Wie-deraufnahme der Ermittlungen stellte das Bayerische Landeskriminalamt 2019 fest, dass der Anschlag „politisch rechts“ motiviert war. Der Attentäter stand über Online-Plattformen in engem Kontakt mit anderen Rechts-extremisten; die Morde in München wurden außerdem am fünften Jahrestag der Anschläge des Rechtsterroristen Anders Behring Breivik in Norwegen begangen.
Antisemitismus – Hass auf Jüdinnen*Juden
Antisemitismus ist ein zentrales Element rechtsextremer Ideologie. Ihre Anhänger*innen zielen darauf ab, jüdisches Leben zu diffamieren, auszugrenzen oder gar auszulöschen. Sie bedienen sich dabei antisemitistischer Verschwörungstheorien, denen zufolge jüdische Menschen die Welt insgeheim beherrschen würden und das Judentum verantwortlich für alle bestehenden Probleme sei. Antisemitismus reicht weit in die Geschichte zurück und nahm keineswegs in der NS-Zeit seinen Anfang. In seiner modernen Form lässt er sich ins 19. Jahrhundert zurückverfolgen und ist bis heute von dramatischer Aktualität. Rechtsterrorismus wendet sich gegen die kritische Auseinandersetzung mit der Shoah und die Erinnerung an ihre Opfer. Das Leugnen oder Verharmlosen des Massenmordes an den europäischen Jüdinnen*Juden soll die Fragen nach Schuld und Verantwortung verhindern.
Der Hass auf Jüdinnen*Juden, ihre Einrichtungen und auf den Staat Israel wird in den letzten Jahrzehnten zunehmend auch auf Onlineplattformen und in den sozialen Medien verbreitet und radikalisiert. Aber auch die tätlichen Angriffe auf Jüdinnen*Juden nehmen zu. Sie gipfelten 2019 in dem Versuch, die jüdische Gemeinde in Halle auszulöschen, die an Jom Kippur, dem höchsten religiösen Feiertag, in der Synagoge versammelt war. Als dies nicht gelang, erschoss der gleichermaßen antisemitisch wie rassistisch und antifeministisch eingestellte Täter eine Passantin und drang dann in einen Imbiss ein, wo er einen weiteren Menschen ermordete. Die ideologische Klammer des Rechtsterrorismus in seinen unterschiedlichen Ausprägungen ist der fanatische Glaube seiner Anhänger*innen, einem Verrat an den angeblich Höherwertigen zu Gunsten der angeblich Minderwertigen ausgesetzt zu sein – verübt von den Eliten der Demokratie. Sie bekämpfen die angeblich Minderwertigen, aber auch jene, die sie als „verkommene“ und fremdgesteuerte demokratische Elite wahrnehmen. Deshalb bedroht der Rechtsterrorismus nicht nur die „Anderen“, die aus ihrer Sicht nicht zum „deutschen Volk“ gehören, sondern bringt auch die Demokratie insgesamt, den Staat selbst und den gesellschaftlichen Frieden in reale Gefahr. Doch weder Staat noch Gesellschaft sind machtlos. Bedrohungspotentiale müssen deutlich gemacht, individuelle Handlungsoptionen noch stärker thematisiert werden. Denn jede und jeder Einzelne kann sich gegen rechtsradikale, menschenverachtende und rassistische Äußerungen stellen, kann sie zurückweisen, sich an der Aufklärung beteiligen und sich mit den Opfern solidarisieren.