In den Boden ist eine kreisrunde Platte eingelassen, auf der die Buchtitel verbrannter Bücher kreisförmig zu lesen sind.

Das Kunstwerk The Blacklist / Die Schwarze Liste von Arnold Dreyblatt am Königsplatz | © NS-Dokumentationszentrum München, Foto: Connolly Weber Photography

The Blacklist | Die Schwarze Liste

Seit dem 6. Mai 2021 erinnert am Münchner Königsplatz ein Mahnmal an die Bücherverbrennungen von 1933. Sein Titel The Blacklist / Die Schwarze Liste bezieht sich auf die damals kursierenden Listen mit den Namen und Werken von hunderten Autor*innen: Literarische Titel, Sachbücher, wissenschaftliche Publikationen bis hin zu Kinderbüchern – sie alle wurden von den Nationalsozialisten als ‚undeutsch‘ geächtet und aus dem öffentlichen Leben verbannt.

Ein Mahnmal auf dem Münchner Königsplatz

Auf Initiative der völkisch-nationalistischen und antisemitischen Deutschen Studentenschaft wurden im Rahmen der Aktion wider den undeutschen Geist in vielen deutschen Städten Bücher verbrannt. Die Bücherverbrennungen bildeten den Auftakt zur systematischen Entfernung im Nationalsozialismus verbotener Literatur aus Bibliotheken, Buchhandlungen und dem Literaturbetrieb. In München fanden sowohl am 6. als auch am 10. Mai Bücherverbrennungen auf dem Königsplatz statt.

Die Landeshauptstadt München beschloss 2016 im öffentlichen Raum dauerhaft an die nationalsozialistischen Bücherverbrennungen zu erinnern und schrieb dazu einen Kunstwettbewerb aus. Das Kunstwerk The Blacklist / Die Schwarze Liste des Künstlers Arnold Dreyblatt ging als Siegerentwurf hervor und ist seit dem 6. Mai 2021 am historischen Ort als Mahnmal in den Boden eingelassen. Die Werke von 310 Autor*innen, die vom NS-Regime und seinen Anhänger*innen geächtet wurden, sind auf dem Mahnmal sichtbar. Dreyblatt wählte jeweils die letzte Veröffentlichung der Autor*innen bis einschließlich 1933.

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Arnold Dreyblatt übernahm für seinen Entwurf unter anderem die wohl umfangreichste und bekannteste ‚schwarze Liste‘. Der Bibliothekar und Nationalsozialist Wolfgang Herrmann hatte sie im Frühjahr 1933 im eigenen Auftrag erstellt und als eine Art Anleitung zur ‚Säuberung‘ von Bibliotheken weiterverbreitet. An ihr orientierten sich viele Organisatoren von Bücherverbrennungen bei ihrer Auswahl.

Die Titel und Worte sind ohne trennende Satzzeichen als durchgängige Spirale angeordnet, so dass sie nahtlos ineinanderfließen. In ihrer Gesamtheit spiegelt sich die Weimarer Republik als ein geistiger und kultureller Höhepunkt in der Moderne. Es entfaltet sich ein anschauliches Bild dieser Epoche und ihrer lebendigen und leidenschaftlichen Auseinandersetzung mit den drängenden politischen, sozialen, wissenschaftlichen und literarischen Fragen der Zeit. Dabei prallen die Wörter und Textfragmente aufeinander und offenbaren neue Bedeutungen für die Gegenwart. Die Spiralform des Textes verweist auf den Akt der Verbrennung: auf die aufsteigende Spirale aus Rauch und brennenden Seiten, wie man sie auf den historischen Fotografien der Bücherverbrennungen sieht.

Dennoch steht die geistige und kulturelle Leistung der Autor*innen im Mittelpunkt des Kunstwerks und nicht das Verbrennen und Vernichten. Die Aussage ist vielfältig: Zum Einen wird zu einer Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Ideologie angeregt, zum Anderen zur Beschäftigung mit dem im Nationalsozialismus geächteten Kulturgut selbst – so das Lob der Kunstwettbewerbsjury zum Entwurf Arnold Dreyblatts.

The Blacklist / Die Schwarze Liste befindet sich zentral in der halbrunden Fläche vor der Treppe der Staatlichen Antikensammlungen. Das kreisförmige, begehbare Kunstwerk fügt sich in die architektonische Symmetrie des historischen Königsplatzes und der umgebenden Topographie ein. Es hat einen Durchmesser von 8 Metern und besteht aus zwei eingefärbten, 20 cm dicken Stahlbetonplatten, die ebenerdig auf einem Fundament befestigt sind. Die Textspirale aus circa 9.600 Buchstaben ist 3 mm tief in diese Bodenplatte eingelassen.

In den Boden ist eine kreisrunde Platte eingelassen, auf der die Buchtitel verbrannter Bücher kreisförmig zu lesen sind.

Das Kunstwerk The Blacklist / Die Schwarze Liste von Arnold Dreyblatt am Königsplatz | © NS-Dokumentationszentrum München, Foto: Connolly Weber Photography

„Kunst gegen das Vergessen“:
Arnold Dreyblatt über sein Kunstwerk

Video

Im Gespräch mit Mirjam Zadoff gab Arnold Dreyblatt Einblick in die Entstehung seines Kunstwerks – von der ersten Idee bis zum fertigen Mahnmal. Außerdem diskutierten beide über die Bedeutung von (Erinnerungs-)Kunst im öffentlichen Raum und an historischen Orten sowie über aktuelle Prozesse und Diskurse der Erinnerungskultur.

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Buchtitel auf dem Kunstwerk

Das Mahnmal trägt die Buchtitel von 310 im Nationalsozialismus geächteten Autor*innen. Dreyblatt wählte jeweils die letzte Veröffentlichung der Autor*innen bis 1933.

Der Künstler Arnold Dreyblatt

Arnold Dreyblatt wurde 1953 in New York geboren und lebt und arbeitet seit 1984 in Berlin als Medienkünstler und Komponist. Er studierte Medienkunst an der State University of New York in Buffalo und Komposition sowie vergleichende Musikwissenschaft an der Wesleyan University in Connecticut. Im Jahr 2007 wurde er zum Mitglied der Akademie der Künste in Berlin gewählt. Seit 2009 ist er Professor für Medienkunst an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel.

Ein Mann steht auf einer kreisrunden Platte.

Arnold Dreyblatt auf seinem Kunstwerk The Blacklist / Die Schwarze Liste, 6. Mai 2021 | © NS-Dokumentationszentrum München, Foto: Connolly Weber Photography

„In meiner Arbeit The Blacklist / Die Schwarze Liste habe ich mich auf eine textuelle Markierung konzentriert, um die aktive Zerstörung von Wissen und Kultur durch eine Rezitation der Spuren einer verlorenen Welt zu beschwören. Ohne Interpunktion präsentiert, bildet dieser fortlaufende Text mit aufschlussreichen 310 Buchtiteln von verbotenen Autoren ein poetisches Fenster zu den politischen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und literarischen Themen der damaligen Zeit. Diese Textfragmente kollidieren und aktualisieren für uns heute neue Bedeutungen in einer spiralförmigen Komposition, die auch an die Rauchsäulen in den historischen Abbildungen der Bücherverbrennungen von 1933 erinnert.“

Arnold Dreyblatt

Dreyblatts Kunstwerke hinterfragen unter anderem die Prozesse und Diskurse der Erinnerungskultur und reflektieren Kategorien wie Gedächtnis und Archiv in komplexen textuellen und räumlichen Visualisierungen. Seine Projekte umfassen Installationen, digitale Raumprojektionen, dynamische mehrdimensionale Textobjekte und Kunstwerke im öffentlichen Raum. Seine Arbeiten wurden international in Galerien, Museen und im öffentlichen Raum ausgestellt und aufgeführt.

Arnold Dreyblatt realisierte unter anderem Arbeiten für die Gedenkstätte Ravensbrück (Calendarium und Inmates I & II 2013/14), die Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen (Das Dossier, 2013), das Bundeslandwirtschaftsministerium BMLEV (Inschriften, 2010), das Jüdische Museum Berlin (Unausgesprochen, 2008), und das Center for Holocaust and Minorities, Olso (Innocent Questions, 2006). Zudem erhielt der Künstler zahlreiche Aufträge und Auszeichnungen wie den Förderpreis der Akademie der Künste in Berlin (2000) und den Künstlerpreis der Foundation for Contemporary Performance Arts in New York (1999).

www.dreyblatt.net

 

Das Projektteam

Entwurf: Arnold Dreyblatt
Projektleitung: Dipl.-Ing. Robert Patz, Dipl.-Ing. Bastian Beyer
Kunstvermittlung: Dorothea Strube
Realisierung: Hemmerlein Ingenieurbau GmbH Bodenwöhr
Erd- und Fundamentarbeiten: Glass GmbH Bauunternehmung München
3D-Modellierung: Dipl.-Ing. Steffen Samberger
Informationstafel: Paul Buchstaben Werbetechnik GmbH Berlin
Besonderer Dank: Dipl.-Ing. Karl Erhardt, Hemmerlein Ingenieurbau GmbH,
Ina Laux (LAUX Architekten), Lars Ulonska (Glass GmbH Bauunternehmung), Dirk Lebahn (eye-D mediengestaltung)

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