Mit einem Bunsenbrenner brennt ein Mann umgeben von mehreren Zuschauer*innen einen kreisrunden Brandfleck in die Wiese vor den Staatlichen Antikensammlungen.

Der Künstler Wolfram Kastner bei seiner Kunstaktion Damit kein Gras über die Geschichte wächst auf dem Münchner Königsplatz, 2010 | © Wolfram Kastner

Erinnerung an die Bücherverbrennungen nach 1945

Es dauerte lange, bis die Bücherverbrennungen des Nationalsozialismus Eingang in die öffentliche Gedenk- und Erinnerungskultur der Bundesrepublik Deutschland fanden. Jahrzehntelang erinnerten – meist an runden Jahrestagen – nur vereinzelte Medienberichte an die Ereignisse rund um den 10. Mai 1933. Gedenkfeiern oder Ausstellungen zum Thema blieben eine seltene Ausnahme.

Wandel der Erinnerungskultur

Erst in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre setzte im Zuge des allgemeinen Wandels der Erinnerungskultur eine Veränderung ein: 1977 veröffentlichte der Journalist Jürgen Serke eine Artikelserie zu den Bücherverbrennungen in der Zeitschrift Stern. Als erste umfangreichere Publikation zu den Bücherverbrennungen überhaupt stieß die Serie auf großes öffentliches Interesse und erschien später auch als Buch. Ein Jahr nach Erscheinen riefen der Verband Deutscher Schriftsteller und das Deutsche P.E.N.-Zentrum im Gedenken an das Jahr 1933 den 10. Mai zum ‚Tag des Buches‘ aus. 1979 erlangte der Gedenktag mit Unterstützung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels bundesweite Aufmerksamkeit.

Zum 50. Jahrestag 1983 wurde in mehreren deutschen Städten mit Gedenkveranstaltungen, Ausstellungen sowie einigen neuen Publikationen an die Bücherverbrennungen erinnert. Im Jahr darauf wurde in Göttingen die erste fest installierte Gedenktafel angebracht. Das erste Mahnmal entstand 1985 in Hamburg. Diesem folgten bis zum Jahr 2000 weitere, unter anderem in Berlin (1995) und Köln (1998)

Gedenken in München

Der 50. Jahrestag 1983 war auch in München Anlass für eine erste, allerdings wenig beachtete Ausstellung zur Erinnerung an die Bücherverbrennungen. Die Stadtbibliothek Sendling zeigte 125 Bücher aus der Bibliothek der verbrannten Bücher des Sammlers Georg P. Salzmann. Zum nächsten runden Jahrestag 1993 präsentierte das Institut für Deutsche Philologie der Ludwig-Maximilians-Universität eine Ausstellung mit dem Titel 60 Jahre Bücherverbrennung samt Begleitbuch.

Zwei Jahre darauf brannte der Künstler Wolfram P. Kastner an dem Ort der Bücherverbrennungen von 1933 einen kreisförmigen Fleck in den Rasen des Königsplatzes. Diese Gedenkaktion war ihm nach anfänglicher Ablehnung erst nach längerem zähen Ringen mit den zuständigen Behörden der Stadt genehmigt worden. Allerdings unter der Auflage einer zeitlichen Befristung. Sein Ansinnen, diesen Brandfleck und eine daneben platzierte Informationstafel als dauerhaftes Mahnmal zu erhalten und damit „kein Gras über die Sache wachsen zu lassen“, wies die Stadtverwaltung München zurück. Die Hinweistafel wurde im Februar entfernt, der Brandfleck von der Natur überwuchert. In den folgenden Jahren erhielt Kastner zunächst keine Genehmigung für eine erneute Ausführung der  Kunstaktion. Erst 2004 wurde ihm diese erneut gestattet. Seitdem hat er sie mehrmals wiederholt. Er und einige engagierte Bürger*innen der Stadt etablierten außerdem eine Lesung, die unter dem Titel München liest - aus verbrannten Büchern jährlich und inzwischen unter Beteiligung zahlreicher Institutionen und Personen aus der Zivilgesellschaft am 10. Mai auf dem Königsplatz stattfindet.

In Regalen stehen Bücher hinter einer Glassscheibe.

Ein Teil der Bibliothek der verbrannten Bücher des Sammlers Georg Salzmann im Lernforum des NS-Dokumentationszentrums München | © NS-Dokumentationszentrum München, Foto: Connolly Weber Photography

Das Mahnmal am Königsplatz

Auf Initiative eines Antrags aus dem Jahr 2013 beschloss der Stadtrat der Landeshauptstadt München im Jahr 2016, auf dem Königsplatz ein dauerhaftes Mahnmal zur Erinnerung an die Bücherverbrennungen errichten zu lassen. Dazu schrieb die Stadt einen Kunstwettbewerb aus. Eine Jury kürte aus mehreren Einreichungen 2018 The Blacklist / Die Schwarze Liste des Berliner Künstlers Arnold Dreyblatt zum Siegerentwurf. Das Mahnmal wurde 2021 fertiggestellt.

In den Boden ist eine kreisrunde Platte eingelassen, auf der die Buchtitel verbrannter Bücher kreisförmig zu lesen sind.

Das Kunstwerk The Blacklist / Die Schwarze Liste von Arnold Dreyblatt am Königsplatz | © NS-Dokumentationszentrum München, Foto: Connolly Weber

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The Blacklist / Die Schwarze Liste

Das Kunstwerk The Blacklist / Die Schwarze Liste des Künstlers Arnold Dreyblatt erinnert auf dem Münchner Königsplatz an die Bücherverbrennungen von 1933.

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