Heimanlage für Juden Berg am Laim (Kloster Barmherzige Schwestern)

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Verfasst von Edith Raim

Massenunterkunft für jüdische Menschen

Noviziatsgebäude der Barmherzigen Schwestern in Bayern, von 1941 bis 1943 zur ‚Heimanlage für Juden Berg am Laim’ umfunktioniert, Aufnahme aus den 1960er-Jahren | Archiv der Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul, Mutterhaus München

Zur Entrechtung der jüdischen Bevölkerung gehörte auch die Aufhebung des Mieterschutzes. Schon beim Pogrom vom November 1938 war die Verletzung der Privatsphäre mit dem Einbruch in Häuser und Wohnungen ein wesentliches Element des reichsweiten Terrors gewesen. Das Gesetz über die Mietverhältnisse mit Juden*Jüdinnen vom 30.4.1939 ermöglichte es nichtjüdischen Eigentümer*innen, sich ihrer jüdischen Mieter*innen ohne Einhaltung des rechtlichen Kündigungsschutzes zu entledigen, da es ‚Ariern‘ nicht zuzumuten sei, mit Juden*Jüdinnen unter einem Dach zu wohnen. Als Folge dessen wurde die Wohnsituation für jüdische Menschen, die in sogenannte ‚Judenhäuser‘ gepfercht wurden, immer bedrängter.

Die ‚Heimanlage für Juden‘ im Kloster der Barmherzigen Schwestern, damals Clemens-August-Straße 9, heute Sankt-Michael-Straße 16, diente als Massenunterkunft für über 300 Menschen, die auf drei Geschossen in beengten Verhältnissen hausen mussten. Neben der ‚Judensiedlung Milbertshofen‘ und der ‚Flachsröste Lohhof‘ war es Teil eines Lagersystems für die Münchner Juden*Jüdinnen. Gleichzeitig ermöglichte diese Konzentration der Juden*Jüdinnen auf kleinstem Raum den schnellen Zugriff der Gestapo bei der Deportation.

Neben der extrem beengten Wohnsituation erschwerte der Zwangsarbeitseinsatz das Leben der Menschen. Der 1938 für jüdische Männer eingeführte ‚Geschlossene Arbeitseinsatz‘ wurde sukzessive auf Frauen und ältere Menschen erweitert. Harte, schmutzige und oft ohne Hilfsmittel zu erledigende Arbeiten, lange Arbeitszeiten und das Verbot, öffentliche Transportmittel auf dem Weg von und zur Arbeit zu nutzen, quälten die Menschen ebenso wie die Ungewissheit des eigenen Schicksals angesichts der steten Deportationen seit Herbst 1941. Die Angst vor den Deportationen trieb viele in den Suizid. Leiterin der Anlage war seit April 1942 Else Berend-Rosenfeld. Nach ihrer Flucht leitete Curt Mezger das Lager bis zu dessen Schließung. Von den Deportierten überlebten nur die wenigsten Menschen. Am 1.3.1943 wurde die ‚Heimanlage‘ vollständig liquidiert und die verbliebenen Bewohner*innen nach Auschwitz deportiert. Das Mahnmal Sankt-Michael-Straße 16 erinnert an Leben und Tod der Heimbewohner*innen.

Quellen

Heusler, Andreas: Heimanlage Kloster barmherzige Schwestern, in: Winfried Nerdinger (Hg.): Ort und Erinnerung. Nationalsozialismus in München, Salzburg 2006, S. 146.

Empfohlene Zitierweise

Edith Raim: Heimanlage für Juden Berg am Laim (publiziert am 13.02.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/lexikon/artikel/heimanlage-fuer-juden-berg-am-laim-324