Rudolf Heß (26.4.1894 Alexandria / Ägypten – 17.8.1987 Militärgefängnis Berlin-Spandau)

Biografien
Verfasst von Sabine Schalm

Von 1933 bis 1941 Stellvertreter Hitlers in der NSDAP, Anhänger und Verbreiter des Führerkults

Rudolf Heß (2. v. r.) zusammen mit Adolf Hitler, Emil Maurice, Hermann Kriebel und Friedrich Weber (v. l. n. r.) in der Festungshaft in Landsberg am Lech, 1924 | Bayerische Staatsbibliothek München/Fotoarchiv Heinrich Hoffmann, hoff-6652

Rudolf Heß wurde 1894 als Sohn eines deutschen Kaufmanns in Alexandria geboren. Seit 1908 besuchte er ein Internat in Bad Godesberg bei Bonn und trat nach dem Abitur eine kaufmännische Ausbildung in Hamburg an. 1914 brach er die von seinem Vater verordnete Lehre ab und meldete sich freiwillig zum Kriegsdienst. 1918 verließ er die Armee im Rang eines Leutnants und begann 1919 an der Münchner Universität ein Volkswirtschafts-, Geschichts- und Geopolitikstudium. Dort lernte er Professor Karl Haushofer und dessen geopolitische Lehre kennen. Im gleichen Jahr schloss er sich dem Freikorps Epp an, trat der Thule-Gesellschaft bei und war an der gewaltsamen Niederschlagung der Münchner Räterepublik beteiligt.

Im völkisch-nationalistischen Umfeld traf er auf Ernst Röhm und Heinrich Himmler. 1920 lernte Heß Adolf Hitler kennen und wurde im Juli Mitglied der NSDAP. Im Herbst desselben Jahres war er Mitbegründer eines nationalsozialistischen Studentensturmverbands, einem Vorläufer des NS-Studentenbundes. Begeistert von Adolf Hitler stilisierte ihn Rudolf Heß zusammen mit Dietrich Eckart und Alfred Rosenberg zum „charismatischen Führer“ und trug damit maßgeblich zur Entwicklung des Führerkults bei.

Heß beteiligte sich 1923 am Hitler-Putsch und wurde nach dessen Scheitern zu 18 Monaten Haft verurteilt. In der Festungshaft in Landsberg unterstützte er Adolf Hitler bei der Niederschrift des Manuskripts der Programmschrift Mein Kampf. Nach der Entlassung brach Heß sein Studium ab und war seit 1925 als Hitlers Privatsekretär sowohl dessen enger Vertrauter wie ergebenster Anhänger. 1927 heiratete Rudolf Heß seine langjährige Bekannte und Gesinnungsgenossin Ilse Pröhl, Trauzeuge des Paares war Adolf Hitler. 1931 bezog Heß ein Büro im Braunen Haus.

Nach der Machtübernahme wurde er im April 1933 Stellvertreter Hitlers im Parteibereich sowie Vertreter der NSDAP gegenüber dem Staatsapparat. Im Dezember 1933 erfolgte seine Ernennung zum Reichsminister ohne Geschäftsbereich. Seit Juli 1934 wirkte er an allen gesetzgeberischen Maßnahmen mit und verfügte seit 1935 über ein Mitspracherecht bei Beamtenernennungen.

Mit der organisatorischen Festigung des NS-Regimes trat Rudolf Heß politisch in den Hintergrund, zog sich aus dem bürokratischen Alltagsgeschäft zurück und überließ dieses seinem Stabsleiter Martin Bormann. Nach Kriegsbeginn entfernte er sich immer mehr vom inneren Machtzirkel. In der deutschen Öffentlichkeit galt Rudolf Heß weithin als bescheiden, korrekt und ohne großen persönlichen Machtanspruch, innerhalb der NS-Herrschaftselite als fürsorglicher Mahner, „Klagemauer der Bewegung“ (Longerich, S. 110ff) und auch zu Eigenheiten neigender Einzelgänger. Inhaltlich vertrat er in allen wesentlichen politischen Fragen die Parteilinie.

Am 10.5.1941 unternahm Rudolf Heß einen lange geplanten, geheimen Flug nach Schottland, mutmaßlich, um Großbritannien als Verbündeten zu gewinnen. Hitler distanzierte sich öffentlich von Heß und enthob ihn von allen Ämtern. Nach dem Scheitern seiner ‚Mission‘ wurde Heß als Kriegsgefangener in London inhaftiert. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Heß nach Nürnberg in das alliierte Kriegsverbrechergefängnis verlegt und 1946 im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess wegen Planung eines Angriffskrieges und Verschwörung gegen den Weltfrieden zu lebenslanger Haft verurteilt. Diese verbüßte er im Militärgefängnis Spandau bis zu seinem Selbstmord am 17.8.1987.

Nach der Beisetzung im Familiengrab in Wunsiedel trafen sich dort regelmäßig Neonazis zum Heldengedenken. 2011 erfolgte die Umbettung an einen unbekannten Ort im Einvernehmen mit der Familie.

Quellen

Longerich, Peter: Hitlers Stellvertreter. Führung der Partei und Kontrolle des Staatsapparates durch den Stab Heß und die Partei Kanzlei Bormann, München 1992.
Rudolf Heß, in: Lebendiges Museum online. URL: https://www.dhm.de/lemo/biografie/rudolf-hess (zuletzt aufgerufen am 16.08.2023).
Schwarzwäller, Wulf: „Der Stellvertreter des Führers“ Rudolf Heß. Der Mann in Spandau, Wien 1974.

Empfohlene Zitierweise

Sabine Schalm: Heß, Rudolf (publiziert am 12.02.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/lexikon/artikel/hess-rudolf-335