Lina Wilhelm ließ sich 1927 mit 27 Jahren als Bibelforscherin taufen. 1933 starb ihr Ehemann, sie blieb allein mit zwei kleinen Töchtern Ruth und Hildegard zurück. In ihrer Wohnung fanden illegale Bibelkreise statt. 1936 wurde sie wegen Betätigung für die Zeugen Jehovas sechs Monate inhaftiert. 1943 unterstützte sie das Untertauchen des von der Gestapo verfolgten Alois Eibl. Als dieser bei Zeugen Jehovas am Ammersee in Sicherheit gebracht worden war, leitete sie 230 RM aus Spendengeldern für seine Unterkunftskosten weiter.
Am 24.11.1943 wurde Lina Wilhelm erneut verhaftet und am 8.7.1944 vor dem Volksgerichtshof Berlin angeklagt. Sie befand sich zu dieser Zeit im Gerichtsgefängnis Dachau. Mit fünf weiteren Zeugen Jehovas wurde sie beschuldigt, „von 1938 bis 1943 als Angehörige der Internationalen Bibelforscher-Vereinigung durch Verbreitung von wehrfeindlichen Schriften öffentlich den Willen des deutschen Volkes zur wehrhaften Selbstbehauptung zu lähmen und zu zersetzen gesucht zu haben“ (BArch, ZC 9472). Weiter hieß es: „Die Schriften […] der Bibelforscher-Vereinigung (IBV) enthalten eine wüste Hetze gegen alle Einrichtungen der nationalsozialistischen Staatsführung. Auch wird in ihnen dazu aufgefordert, sich jeder ‚Einmischung‘ in den Krieg zu enthalten und den Wehrdienst sowie die Arbeit in der deutschen Rüstungsindustrie zu verweigern.“ Lina Wilhelm und zwei weitere Zeuginnen Jehovas wurden zum Tode verurteilt, dann aber zu sieben Jahren Zuchthaus begnadigt. Bei einer vierten Zeugin Jehovas wurde die Todesstrafe vollstreckt.
Lina Wilhelm lebte nach dem Krieg wieder in München, ebenso ihre Tochter Hildegard mit Familie, während die Tochter Ruth nach Australien auswanderte.