Talya Feldman, WIR SIND HIER: Can Leyla. Film Still, Courtesy of the Artist

Installation

WIR SIND HIER

Installation von Talya Feldman
11. Sept. bis 1. Dez. 2024

Von 11. September bis 1. Dezember 2024 zeigt das NS-Dokumentationszentrum München die Installation WIR SIND HIER der Künstlerin Talya Feldman (*1990 in Denver, Colorado, USA), die auf dem gleichnamigen digitalen Kartografieprojekt basiert. Durch die Stimmen und Forderungen ihrer Familien und Freund*innen erinnert WIR SIND HIER an Opfer rechter Gewalt.

Das Projekt bringt eine Vielzahl an Perspektiven zusammen und entstand in enger Zusammenarbeit zwischen der Künstlerin Talya Feldman und Initiativen sowie Einzelpersonen, die in ganz Deutschland für eine aktive Erinnerung im öffentlichen Raum kämpfen. Als lebendiges Archiv gibt das Projekt einen Überblick über rechtsextremen Terror und Polizeigewalt in der Bundesrepublik Deutschland sowie der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik in den letzten 40 Jahren. WIR SIND HIER ging erstmals 2022 als digitale Plattform online (wir-sind-hier.digital) und wird seitdem kontinuierlich erweitert.

Inspiriert wurde die Künstlerin zu dem digitalen Projekt von einem Glitch auf einer Website zur Wohnungssuche in den USA: Im Jahr 2021 wurden durch eine technische Panne die Umrisse von Häusern sichtbar, die für den Bau von Autobahnen zerstört worden waren. So wurden ganze Gemeinden visualisiert, die aus ihren Vierteln verdrängt wurden. Durch diese Fehlfunktion wurden Prozesse der Gentrifizierung und Verdrängung sichtbar, die andernfalls im Stadtraum einfach überschrieben werden. Genau diese Sicht- und Greifbarmachung setzt Talya Feldman in WIR SIND HIER ein, um zu fragen, wie eine vielstimmige Erinnerung im öffentlichen Raum aussehen könnte.

Die Installation von WIR SIND HIER im NS-Dokumentationszentrum München präsentiert Video- und Tonmaterial aus dem digitalen Projekt. Sie erinnert an Delfin Guerra, Nguyễn Ngọc Châu, Đỗ Anh Lân, Semra Ertan, Ferdane Satır, Çiğdem Satır, Ümit Satır, Songül Satır, Zeliha Turhan, Rasim Turhan, Tarık Turhan, Bahide Arslan, Yeliz Arslan, Ayşe Yılmaz, Şahin Çalışır, Burak Bektaş, Yaya Jabbi, Can Leyla, Guiliano Kollmann, Selçuk Kılıç und Sedat Gürbüz, die seit Ende der 1970er Jahre durch rechtsextremen Terror und Polizeigewalt in Deutschland ermordet wurden. Die Beträge im Projekt WIR SIND HIER sind sowohl Ausdruck von Trauer, Schmerz und Verlust, als auch von Resilienz und Zusammenhalt im Angesicht von Rassismus, Antisemitismus und anderen Formen von Diskriminierung.

WIR SIND HIER setzt das Zuhören als einen politischen und solidarischen Akt ein. Durch die Stimmen und Forderungen der Überlebenden, der Familien und Freund*innen der Opfer von rechter Gewalt ruft das Projekt zu einem aktiven Erinnern auf. WIR SIND HIER nutzt dafür die Räume, die mit dem Leben der Menschen in Verbindung stehen. Es nimmt ihre Lieblingsparks, Fußballplätze, Schulen, Spielplätze und Restaurants in den Blick und schließt eine Vielzahl von Menschen ein, die am Alltag der Ermordeten teilgenommen haben. Die Personen, die in das Projekt einbezogen sind, setzen sich zum Teil seit Jahrzehnten dafür ein, im Kampf für eine gerechtere Gesellschaft und gerechtere Zukunft in Deutschland gehört und gesehen zu werden.

Talya Feldmans Werke sind Interventionen innerhalb einer medialen Realität, die extremistische Anschläge allzu oft auf einen Tag, ein Ereignis, den oder die Täter*innen reduzieren und selten die Perspektiven der Opfer repräsentieren. Ihre Arbeiten vereinen Persönliches und Kollektives und sind einem pluralistischem Erinnern sowie Zeug*innenschaft verpflichtet. WIR SIND HIER nutzt den digitalen Raum, um in den städtischen und sozialen Raum zurückzuwirken: Es eröffnet eine vielstimmige Topografie in Städten wie Berlin, Hanau, Halle, Hamburg, Mölln und München, die dazu anregt, sich eine Welt jenseits von Gewalt vorzustellen, die auf sozialen und politischen Veränderungen basiert. 

WIR SIND HIER ist ein Projekt von Talya Feldman und entstand in Kollaboration mit Cana Bilir-Meier, Zühal Bilir-Meier und der Semra Ertan Initiative; Ngu Kim, Ngu Trọng, und der Initiative für ein Gedenken an Nguyễn Ngọc Châu und Đỗ Anh Lân; Familie Bektaş und der Initiative zur Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş; Aynur Satır und Bengü Kocatürk-Schuster; Orhan Çalışır; Abu Jabbi, Daniel Manwire und der Initiative im Gedenken an Yaya Jabbi; İbrahim Arslan, Özlem Arslan und dem Freundeskreis im Gedenken an die rassistischen Brandanschläge von Mölln 1992; Alexander Chávez Guerra, Yasmani Torriente und der Initiative 12. August; Sibel Leyla, Hasan Leyla, Gisela Kollmann, Yasemin Kılıç, Engin Kılıç, Familie Dayıcık, Familie Zabërgja, Patrycja Kowalska und der Initiative OEZ-Anschlag 22.7.2016 München Erinnern!; sowie Emiş Gürbüz, Selahattin Gürbüz und der Initiative 19. Februar Hanau.

Biografie
Talya Feldman ist eine Medienkünstlerin aus Denver, Colorado. Sie erwarb ihren MFA an der Hochschule für bildende Künste Hamburg und ihren BFA an der School of the Art Institute of Chicago. Durch ihre interkulturelle und kollaborative Praxis möchte Feldman einen sozialen Wandlungsprozess mittels künstlerischer und pädagogischer Projekte anstoßen, die alternative Narrative zur Gewalt anbieten. Für ihre Arbeiten gegen rechten Terror in Zusammenarbeit mit aktivistischen und forschungsbasierten Netzwerken in Deutschland und im Ausland hat sie weltweite Anerkennung erhalten. Feldman hat zahlreiche Auszeichnungen erhalten, darunter den Bundespreis für Kunststudenten in Deutschland (2023), den Berenberg Kulturpreis (2022), den Stipendienpreis des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) und den DAGESH Kunstpreis (beides 2021).

Publikation
Zur Installation erscheint eine Publikation mit Transkripten der Beiträge von Familien und Freund*innen, darunter Texte von Yasmani Torriente, Ngu Trọng, Zühal Bilir-Meier, Aynur Satır, Özlem und İbrahim Arslan, Orhan Çalışır, Burak Bektaş, Abu Jabbi, Sibel und Hasan Leyla, Gisela Kollmann, Yasemin und Engin Kılıç sowie Emiş Gürbüz. Ergänzt werden die Texte durch eine umfangreiche Auswahl an Bildern aus dem Projekt. Die Publikation wurde vom Grafikstudio The Aliens gestaltet.

Kurzimpressum
WIR SIND HIER von Talya Feldman ist eine Installation des NS-Dokumentationszentrums München 
Direktorin: Mirjam Zadoff
Künstlerin: Talya Feldman
Kuratorin & Projektleitung: Juliane Bischoff
Vermittlung: Kerstin Baur, Nathalie Jacobsen, Martin Zehetmayr
Kommunikation: Kirstin Frieden, Ilona Holzmeier, Julia Kessler
Technische Einrichtung: Joseph Köttl, İbrahim Özcan

Online-Plattform
Die Plattform und die Installation WIR SIND HIER ist ein Projekt von Talya Feldman unter der Trägerschaft des Verbands der Beratungsstellen für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG e.V.)
Konzept & Video: Talya Feldman
Sounddesign: Carlos Ángel Luppi
Web- & Printdesign: Talya Feldman, The Aliens
Webentwicklung: Benedikt Hebeisen, Bryant Smith
Beratung: Cana Bilir-Meier, İbrahim Arslan, Rachel Spicker, Soligruppe 9. Oktober
Projektkoordination: Rachel Spicker, Esther Spicker, Dan Thy Nguyen
Verwaltung: Studio Marshmallow

Begleitprogramm 
Jeden Sonntag um 15.00 Uhr findet ein Impulsvortrag mit einem anschließenden Gespräch zur Installation statt.
Am 24. Oktober 2024 um 17.00 Uhr wird es ein offenes Gesprächsformat zu der Frage „Warum wird rechte Gewalt nach 1945 so oft vergessen?“ geben.

Pressebilder

01 | Talya Feldman, WIR SIND HIER: Can Leyla. Filmstill | Courtesy of the Artist

02 | Talya Feldman, WIR SIND HIER: Guiliano Kollmann. Filmstill | Courtesy of the Artist

03 | Talya Feldman, WIR SIND HIER: Bahide Arslan, Yeliz Arslan, Ayşe Yılmaz. Filmstill | Courtesy of the Artist

04 | Talya Feldman, WIR SIND HIER: Semra Ertan. Filmstill | Courtesy of the Artist

05 | Installationsansicht von Talya Feldman: WIR SIND HIER im NS-Dokumentationszentrum München 2024 | © NS-Dokumentationszentrum München, Foto: Connolly Weber Photography

06 | Installationsansicht von Talya Feldman: WIR SIND HIER im NS-Dokumentationszentrum München 2024 | © NS-Dokumentationszentrum München, Foto: Connolly Weber Photography

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