NS-Volkswohlfahrt (NSV)

Organisationen
Verfasst von Katja Klee

Nationalsozialistische Wohlfahrtsorganisation, 1931 gegründet

‚Volksgesundheit Volksgemeinschaft Kinderschutz Mutterschutz Bettelbekämpfung Wandererfürsorge sind die Aufgaben der NS Volkswohlfahrt‘, Propagandaplakat der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt, 1934 | Münchner Stadtmuseum, P-C23/18, Grafik: Ludwig Hohlwein/© VG Bild-Kunst, Bonn 2015

Die „Nationalsozialistische Volkswohlfahrt“ (NSV) ging aus einem 1931 in Berlin gegründeten Unterstützungsverein für hilfsbedürftige Parteigenoss*innen hervor, der nach der NS-Machtübernahme 1933 unter der Leitung von Erich Hilgenfeldt zur reichsweiten NS-Wohlfahrtsorganisation ausgebaut wurde. Unter der Ägide Hilgenfeldts gelang es der NSV rasch, das Feld der freien Wohlfahrtspflege zu besetzen. Die NSV übernahm einen Großteil der Einrichtungen der aufgelösten freien Wohlfahrtsverbände. In Zusammenarbeit mit den staatlichen Fürsorgestellen organisierte die NSV unter anderem das „Winterhilfswerk“ (WHV), das „Hilfswerk Mutter und Kind“ und die Jugendfürsorge mit der „Kinderlandverschickung“ (KLV) und legte dabei rassenbiologische und ideologische Kriterien zugrunde.

Bei Kriegsbeginn war die NSV mit rund 15 Millionen Mitgliedern die zweitgrößte NS-Organisation nach der „Deutschen Arbeitsfront“ (DAF). Rund eine Million ehrenamtliche und etwa 30.000 hauptamtliche Funktionäre engagierten sich in der NS-Wohlfahrtsorganisation. Während des Krieges übernahm die NSV die Erstversorgung von Ausgebombten und Obdachlosen und organisierte die Evakuierung nach Luftangriffen. Insbesondere diese Tätigkeiten trugen zur anhaltenden Loyalität der Bevölkerung gegenüber dem NS-Regime bis Kriegsende bei.

Die NSV-Organisation in Bayern baute Alarich Seidler, ein altgedienter Parteigenosse und SA-Sonderbeauftragter bei der Regierung von Oberbayern, von München aus auf. Nach dem erfolgreichen Abschluss des ersten „Winterhilfswerks“ erfolgte die Gründung von fünf bayerischen NSV-Gauwaltungen und die Installation der weiteren NSV-Dienststellen auf Kreis-, Orts-, Zellen- und Blockebene. Das Amt des NSV-Kreisamtsleiters von München übernahm Karl Ortner, seines Zeichens Beamter im städtischen Wohlfahrtsamt. Durch personelle „Verzahnungen“ (Wimmer, S. 141) entstand in München eine enge Kooperation von kommunaler Fürsorge und NSV. Sie wirkte insbesondere unter den Bedingungen des Luftkriegs systemstabilisierend, als Stadtverwaltung und NSV in den einzelnen Stadtteilen gemeinsame Notdienststellen zur Betreuung von Luftkriegsgeschädigten einrichteten und damit die Effizienz der Maßnahmen steigerten. Die einvernehmliche Zusammenarbeit befeuerte allerdings auch die Segregation der Gesellschaft in „wertvolle“ und „minderwertige“ Menschen, wenn etwa Fürsorgeanträge nicht mehr objektiv nach der Hilfsbedürftigkeit, sondern nach ideologischen Gesichtspunkten beschieden wurden.

Mit dem Ende des NS-Regimes endete auch die Geschichte der NSV. Der Münchner NSV-Kreisamtsleiter Karl Ortner wurde im Mai 1945 von den Alliierten verhaftet. In seinem Entnazifizierungsverfahren, in dem er ursprünglich als „Hauptschuldiger“ angeklagt war, erwirkte er seine Einstufung als „Mitläufer“.

Quellen

Klee, Katja: Nationalsozialistische Wohlfahrtspolitik am Beispiel der NSV, in: Rumschöttel, Hermann/Ziegler, Walter (Hg.): Staat und Gaue in der NS-Zeit. Bayern 1933-1945, München 2004, S. 557-620.
Nolzen, Armin: „Sozialismus der Tat“? Die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV) und der alliierte Luftkrieg gegen das Deutsche Reich, in: Süß, Dietmar: Deutschland im Luftkrieg. Geschichte und Erinnerung, München 2007, S. 57-69.
Vorländer, Herwart: Die NSV. Darstellung und Dokumentation einer nationalsozialistischen Organisation, Boppard am Rhein 1988.
Wimmer, Florian: Die völkische Ordnung von Armut. Kommunale Sozialpolitik im nationalsozialistischen München, Göttingen 2014.

Empfohlene Zitierweise

Katja Klee: NS-Volkswohlfahrt (NSV) (publiziert am 04.12.2023), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/lexikon/artikel/ns-volkswohlfahrt-nsv-612