Quellen
Archiv des Instituts für Zeitgeschichte München, ED 728/18, Insassenakten Bischofsried.
Eintritt frei
Von der Polizei als ‚Asoziale‘ verfolgt, als Minderjährige zwangssterilisiert
Gerda U. (Pseudonym) wurde am 1921 in Niederbayern geboren. Später zog sie mit ihren Eltern nach München. Dort starb die Mutter an Krebs, worunter Gerda lange litt. Dazu kam, dass der Vater kurze Zeit später wieder heiratete und es zu Konflikten mit der Stiefmutter kam. Gerda lief immer wieder von zu Hause weg. Das Wohlfahrtsamt beobachtete die Familienverhältnisse. In den Berichten vom 5.8.1939 fehlt jegliche Empathie für das Mädchen: U. „ist eine haltlose Streunerin, die seit längerer Zeit zu Klagen Anlass gibt. Sie war nicht von ihrem leichtfertigen Lebenswandel abzubringen. An ihrer letzten Arbeitsstelle wurde sie entlassen, da sie immer wieder erst gegen morgen nach Hause kam und dann ihre Arbeit vernachlässigte. Der Vater ersucht nun selbst um Unterbringung seiner Tochter in eine Fürsorgeanstalt, um völlige Verwahrlosung zu verhüten“(IfZ, ED 728/18).
Es folgte die Einweisung in die Zwangsfürsorgeanstalt Bischofsried bei Dießen am Ammersee, eine Einrichtung des Landesverbandes für Wander- und Heimatdienst. Die Einweisung erfolgte durch die Polizeidirektion München, Abteilung ‚Asozialenpolizei‘, nachdem das Münchner Wohlfahrtsamt gegen Gerda den fürsorgerechtlichen Arbeitszwang verhängt hatte. Da Gerda erst 18 Jahre alt war, hätte hier auch eine Jugendfürsorgeerziehungsanstalt gewählt werden können. In Bischofsried wurde Gerrda krank. Im Führungsbericht vom 1.10.1939 heißt es: „Bekam am 20. September 1939 einen Brief vom Vater, der Soldat wurde und sie in dem Brief an die gestorbene Mutter erinnert. In der Nacht träumte sie von der toten Mutter und schrie und weinte. Sie wirkt verändert; es kam ein regelrechter Religionswahn zum Ausbruch. Einweisung in die Psychiatrie, nach Eglfing-Haar erfolgt“ (IfZ, ED 728/18). Dort wurde sie zwangssterilisiert und nach Hause entlassen. Die Diagnose lautete „Schizophrenie“ – da auch ihre Mutter an der Krankheit gelitten haben sollte.
Nachdem es erneut zu Konflikten wegen ihrer angeblich mangelnden Arbeitsdisziplin kam und sie zudem wegen Geschlechtskrankheiten behandelt werden musste, wurde sie am 28.10.1941 abermals von der Polizeidirektion München auf die Dauer von einem Jahr nach Bischofsried überstellt. Ein halbes Jahr später kam sie wegen eines sehr negativen Führungsberichts für die fehlenden sechs Monate strafverschärfend in das Arbeitshaus Rebdorf. Im April 1944 wurde sie zur polizeilichen Fahndung ausgeschrieben. Ihr weiteres Schicksal ist unbekannt.
Archiv des Instituts für Zeitgeschichte München, ED 728/18, Insassenakten Bischofsried.