Hermann Pfannmüller (8.6.1886 München – 10.4.1961 Sonthofen)

Biografien
Verfasst von Ulla-Britta Vollhardt

Psychiater, Leiter der „Heil- und Pflegeanstalt“ Eglfing-Haar, NS-„Euthanasie“-Arzt, Gutachter der „Aktion T4“

Hermann Pfannmüller (1886-1961), Aufnahme um 1936 | Bundesarchiv, NSDAP-Zentralkartei Hermann Pfannmüller

Der Münchner Kaufmannssohn legte 1906 sein Abitur am Theresiengymnasium ab und studierte danach an der Ludwig-Maximilians-Universität München Medizin. 1912 erhielt er die ärztliche Zulassung, ein Jahr später sein Doktorzeugnis. Angeregt durch seinen Lehrer, den Münchner Ordinarius für Psychiatrie Emil Kraepelin, schlug er die psychiatrische Laufbahn ein. Es folgten Tätigkeiten an verschiedenen Kliniken. Schon früh öffnete er sich dem Gedankengut der Rassenhygiene und „Euthanasie“, wie die volkswirtschaftlich und „eugenisch“ begründete Tötung von unheilbar Kranken und behinderten Menschen beschönigend genannt wurde. 1922 trat er in Ansbach der NSDAP bei und wurde als Kreisleiter aktiv; 1925 verließ er die Partei wieder. 1930 übernahm er die Leitung der „Offenen Fürsorge“ an der „Heil- und Pflegeanstalt Kaufbeuren“ und formte sie nach rassenhygienischen Gesichtspunkten um.

1933 erneuerte Pfannmüller seine Parteimitgliedschaft und trat in die SA ein. Er engagierte sich als Gauredner und führte weltanschauliche Schulungen zu „Erb- und Rassenfragen“ durch. Von 1936 bis 1938 leitete er die „Beratungsstelle für Erb- und Rassenpflege“ am Gesundheitsamt Augsburg und beteiligte sich mit der zentralen Erfassung als „erbkrank“ geltender Menschen an der nationalsozialistischen Politik der „negativen Auslese“. 1938 wurde der Parteiaktivist Direktor der „Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar“. Ab November 1939 nahm er aktiv an der geheimen „Aktion T4“ teil – der systematischen Ermordung von Anstaltspatient*innen unter dem Deckmantel der „Euthanasie“. Als einer von reichsweit vierzig Ärzten entschied er anhand von Meldebögen über Leben und Tod tausender Klinikinsass*innen; Maßstab war deren Arbeitsfähigkeit. Von Eglfing-Haar aus wurden über 2000 Patient*innen in eigens eingerichtete Tötungsanstalten verlegt und dort ermordet. Bis zum Abbruch der „Aktion T4“ im August 1941 erlitten reichsweit mehr als 70.000 Menschen den Gastod. Kranke starben aber auch in den Kliniken selbst: an gezielter Unterernährung, Vernachlässigung oder Medikamentenvergiftung. Unter der Verantwortung Pfannmüllers wurden in Eglfing-Haar bis 1945 über 2100 Menschen ermordet, darunter mindestens 332 Kinder.

Bei Kriegsende geriet Pfannmüller in amerikanische Haft, aus der er 1948 wegen Haftunfähigkeit entlassen wurde. 1949 verurteilte ihn ein Münchner Gericht zu sechs Jahren Gefängnis wegen Totschlags, zwei Jahre später wurde das Strafmaß auf fünf Jahre reduziert. Die Strafe musste Pfannmüller nicht verbüßen: Immer neue ärztliche Gutachten bescheinigten dem Mediziner, der bis zu seinem Tod bei seiner Familie in Sonthofen lebte, haftunfähig zu sein. Auch das seit 1947 schwebende Entnazifizierungsverfahren, in dem er als Hauptschuldiger angeklagt worden war, verschleppte er auf diese Weise; es wurde 1960 eingestellt.

Quellen

Stockdreher, Petra: Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar, in: Cranach, Michael von/Siemen, Hans-Ludwig (Hg.): Psychiatrie im Nationalsozialismus. Die Bayerischen Heil- und Pflegeanstalten zwischen 1933 und 1945, München 2012, S. 327-362.
Rotzoll, Maike/Hohendorf, Gerrit/Fuchs, Petra (Hg.): Die nationalsozialistische „Aktion T4“ und ihre Opfer. Historische Bedingungen und ethische Konsequenzen für die Gegenwart, Paderborn 2010.
Hintermayr, Franziska: Dr. Hermann Pfannmüller. Eine rechte Karriere als Direktor der Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar, in: Krauss, Marita (Hg.): Rechte Karrieren in München. Von der Weimarer Zeit bis in die Nachkriegsjahre, München 2010, S. 311-324.

Empfohlene Zitierweise

Ulla-Britta Vollhardt: Pfannmüller, Hermann (publiziert am 06.11.2023), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/lexikon/artikel/pfannmueller-hermann-645