Durchhalten und Unterhalten (Propaganda)

Thema
Verfasst von Andreas Heusler

Propaganda, Kultur, Sport - und ihre Bedeutung für das NS-Regime

Abwechslung vom Kriegsalltag durch Theater und Kino; Imperial-Lichtspiele in der Schützenstraße, 1940 | Münchner Stadtmuseum, G-54/991, Foto: Walter B. Francé

Die breite Zustimmung der Menschen zum NS-Staat basierte im wesentlichen auf einer massenwirksamen Inszenierung der vermeintlichen Erfolge und Errungenschaften des Regimes und einer positiven Selbstdarstellung der nationalsozialistischen Elite. Die zielgerichtete Manipulation der öffentlichen Meinung durch Propagandamaßnahmen, durch Zensur und redaktionelle Vorgaben an Rundfunk und Presse war fester Bestandteil des NS-Systems. Komplementäre Elemente der nationalsozialistischen Meinungsdiktatur waren Repression, Gewaltandrohung und terroristische Willkür durch Polizei, Justiz und Partei.

Beispielhaft für die pathetischen Durchhalteparolen der NS-Propaganda steht der Aufruf zum „totalen Krieg“ von Reichspropagandaminister Joseph Goebbels in seiner berüchtigten Berliner Sportpalast-Rede vom 18.2.1943. Ausbleibende militärische Erfolge und die Katastrophe von Stalingrad hatten die Siegeszuversicht der Deutschen empfindlich beeinträchtigt. Mit dem „totalen Krieg“ wurde die nationalsozialistischen Kriegsrhetorik um eine weitere Phrase angereichert. Der Demagoge Goebbels beabsichtigte mit seiner von perfiden rhetorischen Mustern durchzogenen Rede den brüchigen Durchhaltewillen der Deutschen zu festigen und die Menschen auf den Einsatz aller verfügbaren Ressourcen für Kriegszwecke einzuschwören.

Die Prinzipien der suggestiven Dramaturgie und der Manipulation von Informationen dienten nicht nur dazu, das menschenfeindliche und mörderische Wesen des Nationalsozialismus zu verschleiern. Mit dieser Praxis sollten auch die Beschwernisse und Widrigkeiten des Alltags überdeckt und als nur vorübergehende Probleme den Menschen erträglicher gemacht werden. Insbesondere während der Kriegsjahre war eine erfolgreiche Steuerung der öffentlichen Meinung für das Regime überlebenswichtig. Die Erfahrung von Tod und Zerstörung durch den nahezu ungehinderten Einflug alliierter Bomberverbände sorgte für eine zunehmende Diskreditierung des NS-Regimes in der Bevölkerung. Hauptaufgabe der Propaganda in Presse, Rundfunk, Film und kulturellen Institutionen war daher, die deutsche Bevölkerung von der Alltagserfahrung Not, Entbehrung und Tod abzulenken und die Loyalität der Menschen gegenüber einer kollabierenden Ordnung aufrecht zu erhalten.

Um der Bevölkerung eine Normalität der Verhältnisse zu suggerieren, genossen gerade die Leitmedien von Information und Unterhaltung – Radio und Film, Theater, Musik und Museen – fast bis gegen Kriegsende einen besonderen Bestandsschutz. Die ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen wurden auf einem vergleichsweise hohen Niveau gehalten. Damit wollte die NS-Führung die Zerstreuung der bedrängten Menschen gewährleisten. Gleichzeitig sollte dem Regime und seinen Akteuren der Rücken freigehalten werden. Vor allem das Unterhaltungsmedium Film wurde von den Machthabern zielgerichtet instrumentalisiert. Mit Musik-, Tanz- und Operettenfilmen sowie trivialen Komödien, Heimat- und Abenteuerfilmen wollte man die Bevölkerung auf andere Gedanken bringen. Trotz Ressourcenmangels konnten allein in München im Frühjahr 1944 noch 39 Lichtspieltheater den Kinobetrieb aufrechterhalten. Zu den großen Erfolgen an den Kinokassen gehörten die 1943 entstandene „Feuerzangenbowle“ mit dem Publikumsliebling Heinz Rühmann und „Münchhausen“, einer der ersten deutschen Farbfilme mit Hans Albers aus dem selben Jahr. In der enorm teuren Großproduktion wurde zwar die direkte Verherrlichung des NS-Staates vermieden. Dennoch wurde der Film als Beweis für die hohen technischen Standards der deutschen Filmindustrie und für die Leistungsfähigkeit des NS-Systems gehandelt. Fast 19 Millionen Kinobesucher sahen „Münchhausen“.


In München boten Operninszenierungen, Theateraufführungen und Volkssänger*innendarbietungen auch noch in den letzten Kriegsjahren Gelegenheiten für Ablenkung und Zerstreuung. Im „Platzl“ unmittelbar beim Hofbräuhaus sorgte allabendlich der beliebte Volkssänger Weiß Ferdl – ein früher Anhänger der NS-Bewegung – für fröhlichen Spaß und leichte Unterhaltung. Die inszenierte Welt des schönen Scheins erfuhr jedoch Brechungen. Immer häufiger fand sich auf den Programmzetteln und Eintrittskarten der Vermerk, dass für Veranstaltungen, die wegen Fliegeralarm abgesagt oder unterbrochen werden müssen, die Eintrittsgelder nicht zurückerstattet werden.

In der Welt des Sports herrschte während der Kriegsjahre ebenfalls eine vermeintliche Alltagsnormalität. Noch im Kriegsjahr 1944 wurde die Deutsche Fußballmeisterschaft ausgespielt, die großen Münchner Vereine engagierten sich zudem bei deutschlandweiten Turnieren und Städtewettbewerben. Auch die unteren Spielklassen wurden nicht aufgelöst; noch in der Saison 1944/45 konnten sich die Münchner Vereine miteinander messen. Neben dem Volkssport Fußball dominierten im Mannschaftsbereich die Disziplinen Hockey, Handball und Wasserball die sportliche Szenerie. Auch die diversen Münchner Sportvereine bemühten sich um attraktive Angebote. Im April 1944 fanden Gaumeisterschaften im Tischtennis statt, an der sich neben traditionellen Sportvereinen auch neugebildete Mannschaften des Reichsarbeitsdienstes und der Luftwaffe beteiligten.

Quellen

Karmasin, Matthias/Faulstich, Werner (Hg.), Krieg, Medien, Kultur: neue Forschungsansätze, Paderborn 2007.
Merziger, Patrick: Nationalsozialistische Satire und „Deutscher Humor“. Politische Bedeutung und Öffentlichkeit populärer Unterhaltung 1931 – 1945, Stuttgart 2010.


Empfohlene Zitierweise

Andreas Heusler: Durchhalten und Unterhalten (Propaganda) (publiziert am 29.01.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/lexikon/artikel/durchhalten-und-unterhalten-propaganda-166