‚Stille Hilfe‘

Organisationen
Verfasst von Edith Raim

Hilfsorganisation zur Unterstützung strafrechtlich verfolgter NS-Verbrecher*innen

Pressekonferenz des ‚Komitees für Wahrheit und Gerechtigkeit‘ in München, 15.1.1951, aus der kurz darauf die Vereinigung ‚Stille Hilfe für Kriegsgefangene und Internierte‘ hervorging. Personen: Helene von Isenburg, Weihbischof Johannes Neuhäus | ullstein bild/dpa, 00214952

Der Verein ‚Stille Hilfe für Kriegsgefangene und Internierte e.V.‘ wurde am 15.11.1951 ins Vereinsregister eingetragen, nachdem am 7.10.1951 in München eine Gründungsversammlung stattgefunden hatte. Geleitet wurde der bis 1994 als gemeinnützig eingestufte Verein, der zunächst auch von prominenten katholischen und evangelischen Geistlichen wie Weihbischof Johannes Neuhäusler und Altbischof Theophil Wurm unterstützt wurde, von Prinzessin Helene Elisabeth von Isenburg. Der Verein widmete sich laut Satzung der Fürsorge für Kriegsgefangene und Internierte. Er entwickelte sich tatsächlich aber immer mehr zum Stoßtrupp des Revisionismus gegen die alliierten Kriegsverbrecherprozesse (Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess, Nürnberger Nachfolgeprozesse, Dachauer Prozesse) und die sogenannte ‚Siegerjustiz‘ sowie zur allgemeinen Exkulpierung des ‚Dritten Reiches‘. Insbesondere die im War Criminal Prison Number 1 in Landsberg am Lech einsitzenden NS- und Kriegsverbrecher wurden in öffentlichen Kampagnen des Vereins als unschuldige Opfer der ‚alliierten Siegerjustiz‘ dargestellt, die Vereinsvorsitzende stilisierte sich zur ‚Mutter der Landsberger‘.

Als juristischer Anwalt und Organisator der ‚Stillen Hilfe‘ engagierte sich vor allem Rudolf Aschenauer, der als Strafverteidiger in Dutzenden von Kriegsverbrecherprozessen fungierte und beispielsweise Otto Ohlendorf (amerikanischer Einsatzgruppen-Prozess) sowie Wilhelm Boger (Auschwitz-Prozess) vertrat. Mit der Auflösung des Kriegsverbrechergefängnisses Landsberg 1958 entfiel dieser Vereinszweck, und die hohen Kirchenvertreter, die für die inhaftierten Kriegsverbrecher eingetreten waren, zogen sich aus dem Verein zurück.

Der Verein setzte sich fortan vor allem aus Alt-Nazis und Sympathisant*innen zusammen. Er unterstützte nun Angeklagte aus deutschen, italienischen und französischen Prozessen wegen nationalsozialistischen Gewaltverbrechen, darunter Angeklagte aus dem Majdanek-Prozess oder Josef Schwammberger, der 1992 wegen Mordes und Beihilfe zum Mord an polnisch-jüdischen Zwangsarbeitern zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Der Verein verfasste Gnadengesuche, bezahlte Anwälte für Verteidigungen, half Verdächtigen bei der Flucht ins Ausland oder Inhaftierten nach der Entlassung, unterstützte deren Familien und kooperierte mit Auschwitz-Leugnern. Die Summe der dem Verein aus Spenden zur Verfügung stehenden Geldmittel belief sich lange Zeit jährlich auf sechsstellige Beträge. Notorische Unterstützer*innen des Vereins waren Gudrun Burwitz, die Tochter Heinrich Himmlers, und Gerhard Frey, der Gründer und Vorsitzende der rechtsextremen Deutschen Volksunion.

Quellen

Hundseder, Franziska: Rechte machen Kasse. Gelder und Finanziers der braunen Szene, München 1995.
Klee, Ernst: Persilscheine und falsche Pässe. Wie die Kirchen den Nazis halfen, Frankfurt am Main 1991.
Schröm, Oliver/Röpke, Andrea: Stille Hilfe für braune Kameraden. Das geheime Netzwerk der Alt- und Neonazis, Berlin 2006.

Empfohlene Zitierweise

Edith Raim: Stille Hilfe (publiziert am 27.09.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/lexikon/artikel/stille-hilfe-809